Der GoldfischMOB bewegt

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Als sichtbares Ergebnis der Goldfisch-Aktion in Nordenham ist ein großer Berg farbiger Goldfische entstanden, man könnte auch sagen, eine große Goldfisch Plastik auf dem Nordenhamer Marktplatz (s.u.).

Aber Kunst ist in diesem Projekt weitaus mehr, als in diesem Falle eine temporäre Plastik. Genauso bedeutsam ist der soziale Prozess, der diese Plastik erst hat Gestalt annehmen lassen.

Da sind zum einen meine Nachbarinnen, die sich mehrfach zum Nähen von Goldfischhüllen aus gebrauchten Stoffen treffen und an diesem gemeinschaftlichen Tun große Freude haben. „Das ist mal was ganz anderes. Das macht Spaß!“ Jede Frau kann ihre Fertigkeiten einbringen, wer nicht nähen kann, schneidet zu oder kümmert sich um die Gestaltung der großen Goldfischaugen. Zwei sitzen an den Nähmaschinen, zwischendurch wird Kaffee gekocht. Nach dem ersten Treffen wird gefragt, „Wann geht’s weiter?“ Über vierzig Stoffhüllen werden letztlich genäht. Ähnlich ging es bei den Mitarbeiterinnen des benachbarten Kulturzentrums zu, hier war auch der junge FSJler beteiligt, der zum ersten Mal an der Nähmaschine saß.

In diesen und anderen Gruppen entstanden so die Goldfischhüllen, die Rohformen für die große Goldfisch Plastik.

In der Stadt wurden diese von anderen Händen ergriffen und mit dem bereitliegenden Treibsel, das zuvor von Mitarbeitern des Oldenburgischen Deichbandes angeliefert worden war, gefüllt. Ein buntes Treiben von Kindern, Erwachsenen, jungen und alten Menschen rund um den großen Treibselberg. Und immer wieder neugierige Blicke von Passanten, Interesse, Fragen, Gespräche entstehen. Menschen packen mit an, holen sich eine Stoffhülle von der Leine, die ich am Morgen zwischen zwei Straßenlaterne gespannt hatte, greifen sich ein Paar der bereitliegenden Arbeitshandschuhe und füllen Hand für Hand das Treibsel in die Fischbäuche, um einen rundlichen Goldfisch zu formen. Der große Treibselhaufen animiert kleine Kinder, ihn zu besteigen, seine Herkunft vom Wattenmeer verrät auch sein Geruch. Es ist wie ein Stück Wattenmeer auf dem Nordenhamer Marktplatz.

Foto: farbgelichtet-fotografie

Neue Kontakte ergeben sich, eine Lehrerin ist regelrecht begeistert von der Aktion. Warum sie noch nicht früher davon erfahren habe, will sie wissen. Nun, es stand mehrfach in der Presse, manchmal braucht es eben etwas länger. Sie möchte mit ihrer 5. Klasse am GoldfischMOB teilnehmen, sie arbeitet mit den Kindern zum Thema Bewahrung der Schöpfung.

Hinter dieser Goldfisch Plastik stecken aber noch viel mehr Menschen. Zum Beispiel Anne aus Ruhwarden, die sich bereit erklärt hat nach Abschluss der Aktion mit dem großen Anhänger zu kommen und die entstandenen Goldfische, 93 sind es geworden, in die nächste Küstenschutzhalle zu transportieren, damit sie dort gelagert werden können bis zur Goldfisch Versammlung im Juni. Als das Auto ausfällt springen spontan die Nachbarn mit Transporter, Anhänger und ihrer Arbeitskraft ein, weil Anne sie gefragt hat und das Projekt sie neugierig macht. Wieder einmal ist der Funke übergesprungen und zum wiederholten Mal wird deutlich, die Menschen möchten gefragt und angesprochen werden, dann sind sie dabei, ob beim Nähen, beim Netzwerken, beim Transportieren oder einfach beim Kaffeekochen.

Als alle Goldfischhüllen gefüllt sind, stellt sich das nächste Problem, denn der Treibselhaufen ist noch längst nicht abgearbeitet, wie erwartet. Bis zum Montag kann das Treibsel unmöglich auf dem Marktplatz liegen bleiben, also muss eine Lösung gefunden werden. Ich schildere am Telefon meiner Nachbarin Dagmar, die auch beim Nähen dabei war, unser Problem und frage sie ob sie vielleicht, eventuell … (ich bin immer etwas zaghaft in solchen Dingen, aber es nützt gerade nichts) mit einem Anhänger kommen könnte. Eine halbe Stunde später trifft der Pferdeanhänger ein, eine zweite Nachbarin ist gleich mitgekommen. Eigentlich waren sie in der Nachbarschaft zum Buntmachen* verabredet, umso beeindruckender finde ich es, mit welcher Selbstverständlickeit sie uns helfen. Dann packen sechs Leute Schaufeln und Forken und der Treibselhaufen verschwindet nach und nach im Pferdeanhänger, mit dem er anschließend zum Deich transportiert wird, wo wir ihn an einer Treibsel Sammelstelle zu dritt wieder entladen. Die ganzen Krümel und der Staub vom Treibsel sitzen inzwischen überall, in den Haaren, im Gesicht, in den Augen. Die anderen Drei haben sich aufgemacht um die Goldfische in ihr Zwischenlager zu transportieren. Ein weniger staubiger Job. Zum Schluss liegt dort die Goldfisch Plastik in ihre Einzelteile zerlegt und aufgereiht, Fisch an Fisch auf dem Boden der riesigen Küstenschutzhalle, neben Gerätschaften für den Deich- und Küstenschutz. Was für ein Bild!

Was für ein Tag! Zehn Stunden Arbeit, Begegnungen, Überraschungen, Hilfs- und Rettungsaktionen, strahlende Sonne wo Regen vorhergesagt war – großartig!

 

 

* Nachbarschaftstreffen anlässlich von Geburtstagen, Goldenen Hochzeiten oder anderen Anlässen, bei denen meist aus Buchsbaum und Dekomaterialien Girlanden, Herzen oder anderer Schmuck für den Vorgarten hergestellt werden.

Goldfisch MOB

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Eine Kunstaktion in kollektiver Zusammenarbeit mit Menschen aus Butjadingen und der Welt.

Der GoldfischMOB ist eine Kunstaktion auf der Halbinsel Butjadingen, am Nationalpark Wattenmeer. Hunderte von leuchtend orangenen und gelben Goldfischen werden sich für ein Sommerwochenende, vom 28. bis 30. Juni 2019, am Deich versammeln und für Aufsehen sorgen. Diese Kunstaktion ist nur gemeinschaftlich zu realisieren. Als Bildende Künstlerin und Pädagogin, bin ich Impulsgeberin und Verantwortliche für das Projekt, getragen wird es von zahlreichen Einrichtungen und Einzelpersonen aus der Region.

Ziel des Projektes ist es, mit künstlerischen Mitteln den Fokus auf die Besonderheiten des Nationalparks Wattenmeer zu richten, die Schätze des Weltnaturerbes zum Thema zu machen, aber auch die Region und ihre Menschen in den Mittelpunkt zu rücken.

Siebenhundertt Goldfische sind das erklärte Ziel, tausend wären großartig! Die Versammlung soll am Deich zwischen Eckwarderhörne und Tossens, gegenüber von Wilhelmshaven, stattfinden.

Die ersten Prototypen in Eckwarderhörne.